Wie in der kurzen Abhandlung zur Entstehung des Karate bereits beschrieben, gab es auf Okinawa, dem damaligen Königreich Ryukyu, eine Kampfkunst („Okinawa-te“, oder auch kurz „te“), die je nach dem Ort, an dem sie geübt wurde, Naha-te (Hand aus Naha), Shuri-t (Hand aus Shuri) oder Tomari-te (Hand aus Tomari) genannt wurde. Die Techniken des Naha-te sind eher geeignet für die Verteidigung in der Nahdistanz (kleine Eselsbrücke: Naha = nah) und die Techniken des Shuri-te eher für die Verteidigung gegen lange Angriffstechniken. Die Techniken des Tomari-te ähneln denen des Shuri-te.

 

Meister Mabuni Kenwa war Schüler von Meister Itosu (Shuri-te) und später auch Schüler von Meister Higaonna (Naha-te). Itosu und Higaonna waren gut befreundet.

 

Mabuni erkannte, dass beide Schulen ihre Vorteile und auch ihre Nachteile hatten.

Daraufhin entschloss er sich die Vorteile beider Schulen miteinander zu vereinen, d.h. jedoch nicht, dass er die Techniken miteinander vermischte.

Er stellte aus den jeweiligen Schulen die Kata zusammen, die er in seiner Schule, dem Shito-Ryu lehrte. Im Shito-Ryu gibt es eine sehr große Anzahl von Kata, die Mabuni selbst auch beherrschte und detailgenau erklären konnte. Er galt zu seiner Zeit zu den besten Technikern und Meistern dieser Kampfkunst.

Die Bezeichnung Shito setzt sich zusammen aus „Shi“ und „To“. „Shi“ ist das Kanji für Ito (Itosu) und „To“ das Kanji für Higaonna. Mit dieser Bezeichnung ehrte er seine beiden Meister. Shito-Ryu sozusagen die Itosu-Higaonna-Schule.

 

Ein Schüler von Mabuni Kenwa war Tani Chojiro, der zuvor ein Schüler von Miyagi Chojun (Gründer des Goju-Ryu) war, begann ungefähr 1946 wieder damit, Karate zu üben und zu lehren. Da er noch kein eigenes Dojo hatte, wurde der Unterricht unter freiem Himmel auf einem Parkplatz abgehalten. Etwa um 1948 erhielt Tani von Mabuni die Erlaubnis, eine eigene Schule zu gründen.

 

Tani nannte seine Schule zunächst Tani-Ha-Shito-Ryu und war dem Shito-Ryu noch sehr ähnlich.

Da nach dem Ende des 2. Weltkrieges in Japan die Ausübung von Kampfkünsten durch die US-amerikanische Besatzung verboten war, nannte Tani daher seine Schule nun „Shukokai“, was sinngemäß übersetzt werden kann mit „Menschen treffen sich zum gemeinsamen üben unter einem Dach“ oder kürzer „die allgemeine Versammlung“ und ist eine recht junge Stilrichtung.

 

Das Shito-Ryu besteht heute immer noch und ist eine der heutigen vier Hauptschulen des Karate-Do (Goju-Ryu, Wado-Ryu, Shotokan-Ryu und eben Shito-Ryu).

Aber selbst diese Hauptschulen des Karate-Do sind inzwischen verzweigt, sodass es von ihnen verschiedene Stile gibt.

 

Der erst kürzlich verstorbene Vertreter des Shito-Ryu von Mabuni Kenwa ist einer seiner Söhne, Mabuni Kenei (*13.02.1918 auf Okinawa, +19.12.2015).

Er war Soke (Oberhaupt) dieser Stilrichtung.

 

Tani entwickelte die Techniken des Shito-Ryu in der Weise weiter, sodass sie für den sportlichen Wettkampf effektiver wurden.

Er hob die in den Karatetechniken innewohnenden physikalischen und biomechanischen Elemente deutlich hervor.

Die im Shukokai-Karate geübten Kata glichen zu Tanis Zeit denen des Shito-Ryu.

 

Einem Schüler von Tani, Kimura Shigeru, gelang es, in Japan wichtige Turniere zu gewinnen. Er verließ Japan, um sein Shukokai in der Welt zu verbreiten. Nach einigen Stationen, wie z.B. England, zog es ihn schließlich in die USA, wo er sich niederlies. Kimura entwickelte seinerseits das Shukokai-Karate weiter und entfernte sich dabei immer mehr von den Ursprüngen Tanis, was man heute an vielen Kata sehr deutlich erkennen kann (Kata, die auf Wettkämpfen gezeigt werden, müssen einerseits für die Kampfrichter deutlich erkennbare Bewegungen zeigen und andererseits für das Publikum schön anzuschauen sein).

Kimura starb im Jahre 1995, ein Jahr nachdem er den 8. DAN erworben hat, ohne einen echten Nachfolger zu benennen. Einige seiner ehemaligen Schüler, z.B. Eddie Daniels, haben daraufhin eine Shukokai-Organisation aufgebaut, die sich nach ihrem Meister -Kimura-Shukokai- nennt.

Shukokai ist daher besonders im englischsprachigen Raum verbreitet.

Kimura-Shukokai-Karate kam ungefähr 1984 nach Deutschland und steht hier unter der Leitung von Edmund Horn.

 

Einer der Schüler von Meister Kimura war Sensei John Horan.

Meister Horan war in seinen jüngeren Jahren Mitglied des englischen Karate Nationalteams und später einer der Nationaltrainer. In beiden Eigenschaften war er sehr erfolgreich, trotzdem er schon seit seiner Kindheit an Polio erkrankt war.

 

Shukokai-Karate bedient sich der Biomechanik, sodass bei kleinstmöglichem Kraftaufwand (Muskel) die größtmögliche Effektivität erzeugt wird.

Das bedeutet, dass auch körperlich schwächere Menschen ihre vorhandene Energie möglichst effektiv nutzen können.

Daher ist es notwendig, die Techniken so exakt wie möglich auszuführen.

(Das gilt grundsätzlich für jede Kampfkunst, hier für jede Karate-Do Stilrichtung; im Laufe der Ausbreitung und Entwicklung des Karate als Wettkampfsport sind aber viele Aspekte und Prinzipien des Karate-Do verloren gegangen)

 

Da Shukokai, wie oben bereits genannt, eine Schule des Shito Ryu ist, haben inzwischen auch wieder Elemente aus dieser Quelle verstärkt Einfluss bei uns gefunden. Karate wird bei uns nicht als Wettkampfsport geübt sondern als Kampfkunst Karate-Do.